Jedes Unternehmen hat seinen Urknall

Bildquelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an das Original
Logo der Nixdorf Computer AG (dem Original nachempfunden)

Die Nixdorf Computer AG war das Vorzeigekind der deutschen Informatikbranche – bis ihr Gründer unerwartet starb und sich das Unternehmen wenige Jahre später in einer Fusion auflöste

Die deutsche Computerindustrie befand sich noch in den Anfängen, als Heinz Nixdorf 1952 sein Labor für Impulstechnik in Essen gründete. Nur mit der Idee zum Bau eines Elektronenrechners ausgestattet, gewann der Student der Physik das Energieversorgungsunternehmen RWE in Essen als ersten Kunden. Dieses stellte ihm einen Arbeitsraum und einen Vorschuss in Höhe von 30.000 DM zur Verfügung.

Nixdorf produzierte ab 1952 zunächst elektronische Recheneinheiten für Lochkartenanlagen. Diese ersten Saldierer und Multiplizierer waren noch mit Röhren bestückt. Ab 1960 wurde der Multiplizierer Gamma 172 auch mit Transistoren gebaut.

1964 erfolgte mit der Entwicklung eines frei programmierbaren Kleincomputers der Durchbruch für das Unternehmen. Dieses Nixdorf 820 genannte System war in Preis und Leistung auf Klein- und Mittelbetriebe zugeschnitten.

Grundsteine für Nixdorfs Erfolg im Bankengeschäft waren ehrgeizige Projekte, wie das mit der Scandinaviska Enskilda-Bank. Schon 1974 ließ sie ihre Filialen mit Hilfe von 1.100 Nixdorf-Terminals landesweit vernetzen. Ab 1978 wurde die Produktpalette für Geldinstitute um Selbstbedienungssysteme wie Kontoauszugsdrucker und Geldausgabeautomaten erweitert.

„Entschuldigung, wir sind schon wieder die Ersten“

Werbeslogen zur EInführung des Digifons

1981 kam dann mit dem DVS 8818 ein digitales Telefonvermittlungssystem auf den Markt. Es gestattete die Vermittlung von Sprach- und Datenleitungen und erfüllte die neue ISDN-Norm.

Weltweit „offene“ Standards bestimmten seit den 1980er-Jahren den Computermarkt. Nixdorf folgte diesem Trend 1985 mit dem universellen System TARGON, das auf dem herstellerunabhängigen Betriebssystem UNIX basierte.

Heinz Nixdorf trieb die Computertechnik voran

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Bildquelle: Heinz Nixdorf MuseumsForum

Er prägte die New Economy, die damals noch deutsches Wirtschaftswunder hieß. Der Computerpionier hatte alles, was viele seiner Nachfolger fünf Jahrzehnte später vermissen ließen. Er blieb bescheiden und verspürte soziale Verantwortung. Kurzum: Heinz Nixdorf war ein echter Unternehmer.

Das heißt nicht, dass er immer alles richtig machte. Und schon gar nicht, dass er das war, wofür ihn noch heute viele halten: ein Tüftler oder gar Erfinder.

Die Firma Nixdorf Computer AG ging nach dem Tod des Gründers und späteren Vorstandsvorsitzenden unter – und damit die Hoffnung, dass es das deutsche Unternehmen auf dem Weltmarkt mit den amerikanischen Branchenriesen aufnehmen könnte.

Heinz Nixdorf hatte lange Zeit die Nase vorne. Sein guter Riecher für Neues brachte das Unternehmen voran – bis es tatsächlich zum viergrößten Computerunternehmen Europas wurde. Er suchte und fand nicht nur die richtige Technik, sondern auch die fähigen Leute, die sie zu entwickeln oder vermarkten verstanden.

„Seine Kunden liebten ihn“

Gerhard Adler

Wenn Heinz Nixdorf überzeugt war, wusste er auch andere zu überzeugen. Nixdorf, 1925 geboren, wuchs in kargen Verhältnissen auf, verlor den Vater früh. Auf Umwegen schaffte er es trotzdem an die Universität. Anfang der fünfziger Jahre bekam er einen Job als Werkstudent in der Entwicklungsabteilung der deutschen Tochtergesellschaft des amerikanischen Büromaschinenherstellers Remington Rand. Dort brauchte der Physiker Walter Sprick dringend einen Gehilfen. Als Sprick das Unternehmen verließ, war er dermaßen von seinem Zögling angetan, dass er ihm erlaubte, alles zu nutzen, was sein Lehrmeister bis dahin erfunden hatte.

Nur mit dem Mentor im Rücken und einer Idee im Kopf machte sich der Student auf den Weg nach Essen zum Rheinisch Westfälischen Elektrizitätswerk (RWE). Auch dort wusste er wieder jemanden zu begeistern: den Leiter der Lochkartenabteilung. Nixdorf bekam den Auftrag für einen Elektronenrechner – und 30.000 Mark dazu. 1952 wurde das „Heinz Nixdorf Labor für Impulstechnik“ ins Essener Handelsregister eingetragen. Erst später zog das Unternehmen nach Paderborn und änderte seinen Namen in Nixdorf Computer AG.

Während sich IBM auf die Großkundschaft konzentrierte, nahm Nixdorf Mitte der sechziger Jahre die Kleinen und mittleren Betriebe ins Visier. Ausschließlich Hardware, das hatte Nixdorf erkannt, führte in die Sackgasse. Die Klein- und Mittelbetriebe brauchten eine Rundumversorgung. Etwa 200 Branchen erhielten maßgeschneiderte Lösungen. „Die Kunden liebten ihn dafür“, sagte Gerhard Adler, der seinerzeit Chef der Unternehmensberatung Diebold war.

Im März 1986 dann kam der Schock. Heinz Nixdorf stirbt kurz vor seinem 61. Geburtstag im Kreise seiner Mitarbeiter und Kunden auf der Computermesse Cebit. Herzversagen. Zu diesem Zeitpunkt gehörten Töchter in 44 Ländern der Erde zum Konzern und erzielten mit 23000 Mitarbeitern weltweit einen Umsatz von vier Milliarden Mark.

SPIEGEL-Redakteur Joachim Preuß schreibt 1984 über den Paderborner Computer-Fabrikanten Heinz Nixdorf

Die Kraft zum Befreiungsschlag reichte nicht aus

Aus Liebe zum Kunden war Nixdorf nie – wie viele seiner Konkurrenten – davor zurückgeschreckt, auch Spezialwünsche zu erfüllen. Und: „Er baute ausschließlich auf seine eigene Kompetenz, vermied deshalb Kooperationen“, erinnert sich Ex-Dieboldchef Adler. Doch dieses ehrgeizige Konzept ließ sich nicht durchhalten; schon gar nicht im internationalen Geschäft. Hinzu kam, dass Nixdorf selbst auf dem heimischen Markt inzwischen umzingelt war. Die große IBM hatte die angestammte Klientel der Paderborner entdeckt. Und von unten brachen immer mehr Anbieter mit kleinen Rechnern in deren Domäne ein. „Man hätte sich auf einen Kern von Leistungen konzentrieren und die vielen Extras Partnern überlassen müssen“, sagt Adler.

Die Kraft zum Befreiungsschlag reichte nicht. 1989 rutschte das Unternehmen erstmals in die roten Zahlen. Schon bald war klar, dass man einen starken Partner brauchte. 1990 schließlich schluckte der Münchner Elektro-Riese Siemens den Paderborner Konzern; verdaut hat er ihn nie. Fast zehn Jahre quälten sich die neuen Manager damit, die unterschiedlichen Kulturen zu vereinen. Es ging schief. Siemens fusionierte Ende 1999 die Computersparte mit der japanischen Fujitsu.

Jedes Unternehmen hat seinen Urknall

Jedes Unternehmen hat seinen Urknall. Oft ist damit ein Name verbunden, in unserem Fall: Heinz Nixdorf. Und dann ist da noch von Fleiß, Leistungswillen und Pioniergeist die Rede.

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