Integrales Bewusstsein – Das Paradigma der Newtonschen Weltmaschine

Das Paradigma der Newtonschen Weltmaschine

Die Weltanschauung und das Wertesystem, welches die Grundlage unserer Kultur bilden und die sorgfältig neuformuliert werden müssen, haben sich in ihren wesentlichen Umrissen im 16. und 17. Jahrhundert ausgeprägt. Zwischen 1500 und 1700 veränderte sich auf bemerkenswerte Weise sowohl die Art, wie Menschen die Welt beschreiben, als auch ihre gesamte Denkweise. Die neue Mentalität und die neue Auffassung vom Kosmos verliehen unserer abendländischen Zivilisation die Eigenschaften, die für die moderne Ära charakteristisch sind. Sie wurden zur Grundlage des Paradigmas, das unsere Kultur während der letzten drei Jahrhunderte beherrscht hat und sich jetzt zu ändern anschickt.

Die mittelalterliche Anschauung von einem organischen, lebenden und spirituellen Universum wurde durch das Bild von der Welt als Maschine ersetzt, und die Weltmaschine wurde zur beherrschenden Metapher der modernen Ära. Diese Entwicklung ergab sich aus revolutionären Erkenntnissen in der Physik und Astronomie, die in den großen Leistungen von Kopernikus, Galilei und Newton ihren Höhepunkt fanden.

Kopernikus war sich durchaus dessen bewusst, dass seine Anschauung das religiöse Bewusstsein seiner Zeit zutiefst verletzen würde. Deshalb verzögerte er ihre Veröffentlichung bis zum Jahre 1543, seinem Todesjahr, und selbst dann noch präsentierte er seine heliozentrische, die Sonne in den Mittelpunkt stellende Anschauung nur als Hypothese.

Der wirkliche Wandel in der wissenschaftlichen Weltanschauung jedoch war das Werk von Galileo Galilei. Galilei war der erste, der wissenschaftliche Experimente mit der Anwendung mathematischer Sprache verknüpfte, um die von ihm entdeckten Naturgesetze zu formulieren. Deshalb gilt er als Vater der modernen Wissenschaft.

Galileis Strategie, die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler auf quantifizierbare Eigenschaften der Materie zu lenken, hat sich in der modernen Wissenschaft als äußerst nützlich erwiesen, aber auch einen hohen Tribut verlangt: „Dahin schwinden Sicht, Klang; dahin sind auch Gefühle, Motive, Absichten, Seele, Bewusstsein, Geist. Die Erfahrung an sich ist aus dem Reich wissenschaftlicher Forschung ausgestoßen worden“ erinnert der britische Psychiater R. D. Laing.

Während Galilei in Italien einfallsreiche Experimente ersann, führte Francis Bacon die empirische Wissenschaftsmethode in England ein. D.h. Experimente zu machen und aus ihnen allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen, die dann in weiteren Experimenten überprüft werden.

Der „Geist Bacons“ veränderte tiefgreifend die Art und Zielsetzung wissenschaftlicher Forschung. Seit der Antike war es das Ziel der Wissenschaft gewesen, Weisheit, Verständnis für die natürliche Ordnung und das Leben in Harmonie mit dieser Ordnung zu gewinnen. Wissenschaft betrieb man „zum Ruhme Gottes“ oder, wie die Chinesen es formulierten, um „der natürlichen Ordnung zu folgen“ und „im Strome des Tao zu fließen“.

Dieser Wandel, der für die weitere Entwicklung der abendländischen Zivilisation außerordentlich bedeutsam werden sollte, wurde von zwei alles überragenden Persönlichkeiten des 17. Jahrhunderts in Gang gebracht – von Descartes und Newton.

René Descartes gilt im allgemeinen als Begründer der modernen Philosophie. Seine Berufung im Leben war es, in allen Wissenschaftsbereichen die Wahrheit vom Irrtum zu scheiden. Das entscheidende Element in der Methode von Descartes war der Zweifel. Er bezweifelte alles, was ihm nur zu bezweifeln gelang – das gesamte überlieferte Wissen, die eigenen Sinneseindrücke, selbst die Tatsache, dass er einen Körper besaß – bis er schließlich bei etwas anlangte, was er nicht bezweifeln konnte, nämlich die Existenz seiner selbst als die eines Denkenden. Auf diese Weise gelangte er zu seiner berühmten Feststellung „Cogito ergo sum“, „Ich denke, also bin ich“.

Die Methode von Descartes war analytisch. Sie bestand darin, Gedanken und Probleme in Stücke zu zerlegen und diese in ihrer logischen Ordnung aufzureihen. Diese analytische Denkmethode ist wahrscheinlich Descartes‘ größter Beitrag zur Wissenschaft. In Descartes‘ „cogito“, wie man es später genannt hat, ist der Geist gewisser als die Materie. Das brachte ihn zu der Schlussfolgerung, die beiden seinen getrennt und fundamental voneinander verschieden.

Werner Heisenberg, der deutsche Physiker, schrieb dazu: „Diese Spaltung hat sich in den auf Descartes folgenden drei Jahrhunderten tief im menschlichen Geist eingenistet, und es wird noch viel Zeit vergehen, bis sie durch eine wirklich andersartige Haltung gegenüber dem Problem der Wirklichkeit ersetzt werden wird.“

Für Descartes war das materielle Universum eine Maschine und nichts als eine Maschine. In der Materie gab es weder einen Sinn noch Leben, noch Spiritualität. Er teilte die Ansicht von Bacon, das Ziel der Wissenschaft sei die Beherrschung und Kontrolle der Natur, wobei er bekräftigte, wissenschaftliche Kenntnisse könnten genutzt werden, „um uns zu Herren und Besitzern der Natur zu machen“.

Der Mann, der die Wissenschaftliche Revolution vervollständigte, war Isaac Newton, der 1642, im Todesjahr von Galilei, in England geboren wurde. Newton entwickelte eine vollständige mathematische Ausformulierung der mechanischen Naturauffassung und schuf damit eine großartige Synthese der Arbeiten von Kopernikus und Kepler, Bacon, Galilei und Descartes.

Wie Descartes neigte Newton zu der Idee, sein mächtiger Verstand könne dem Universum alle Geheimnisse entreißen. Er nutzte diesen Verstand mit der gleichen Intensität für das Studium der Naturwissenschaft wie für das der esoterischen Wissenschaften. Die meisten seiner esoterischen Schriften wurden niemals veröffentlicht; was jedoch von ihnen bekannt ist, deutet darauf hin, dass Newton, der große Genius der Wissenschaftlichen Revolution, zugleich auch „der letzte Magier“ war.

Aus Newtons Sicht hat Gott am Anfang die Masseteilchen, die Kraft zwischen ihnen und die Grundgesetze der Bewegung geschaffen. Auf diese Art wurde das gesamte Universum in Bewegung gesetzt und läuft seitdem wie eine Maschine, gelenkt von unabänderlichen Gesetzen. Die mechanische Weltanschauung ist somit eng verbunden mit einem strengen Determinismus, mit der Auffassung einer kausalen und völlig deterministischen kosmischen Maschine.

Dieses Bild einer vollkommenen Weltmaschine erforderte einen außerhalb stehenden Schöpfer, einen monarchischen Gott, der die Welt von oben regiert, indem er ihr seine göttlichen Gesetze auferlegt. Die physikalischen Vorgänge selbst galten nicht als göttlich, und als die Wissenschaft es zunehmend schwieriger machte, an einen solchen Gott zu glauben, verschwand das Göttliche vollkommen aus der wissenschaftlichen Weltanschauung und ließ jenes spirituelle Vakuum zurück, das so charakteristisch für den Hauptstrom unserer Kultur geworden ist.

Während des 19. Jahrhunderts arbeiteten Wissenschaftler weiter am mechanistischen Modell des Universums in der Physik, Chemie, Biologie, Psychologie und in den Sozialwissenschaften. Das Ergebnis war, dass die Newtonsche Weltmaschine eine viel komplexere und subtilere Struktur erhielt. Gleichzeitig machten neue Entdeckungen und neue Formen des Denkens die Grenzen des Newtonschen Modells deutlich und bereiteten den Weg für die wissenschaftlichen Revolutionen des 20. Jahrhunderts.

Eine dieser Entwicklungen des 19. Jahrhunderts war die Entdeckung und Erforschung elektrischer und magnetischer Phänomene, die auf einer neunen Art von Kraft beruhten und durch das mechanistische Modell nicht richtig beschrieben werden konnten.

Während der Elektromagnetismus die Newtonsche Mechanik als allgemeingültige Theorie der Naturwissenschaft entthronte, kam ein neuer Trend des Denkens auf, der über die Idee der Newtonschen Weltmaschine hinausging und nicht nur das 19. Jahrhundert, sondern das gesamte zukünftige Denken beherrschen sollte. Er beinhaltet den Gedanken der Evolution, des Wandels, des Wachstums und der Entwicklung. Der Begriff der Evolution war in der Geologie aufgekommen, wo sorgfältige Studien von Versteinerungen die Wissenschaftler auf den Gedanken brachten, dass der gegenwärtige Zustand der Erde das Ergebnis einer fortlaufenden Entwicklung sei, verursacht durch das Wirken von Naturkräften über einen riesigen Zeitraum hinweg.

Schon seit der Antike befassten sich Philosophen mit der Idee einer „großen Kette des Seins“. Diese Kette war jedoch als eine statische Hierarchie gedacht, die mit Gott an der Spitze begann und über Engel, die Menschen und Tiere bis zu den niederen Lebensformen hinunterreichte.

Die Entdeckung der Evolution zwang die Wissenschaftler, das Universum als ein sich entwickelndes und ständig sich änderndes System zu beschreiben, in dem sich komplexe Strukturen aus einfacheren Formen bilden.

error: Content is protected !!